Dr. Hartwig Ruell - Senior Excellence

10. April 2008

Schlüsselqualifikation für die Arbeit der Zukunft

Filed under: Arbeit, Zukunft, Qualifikation — Dr. Ruell @ 21:41

1.Technologie Trends

1.1 Das Gesetz der fallenden Informationskosten

Seit die Menschheit Informationen speichert, bearbeitet und überträgt, sind die Kosten für diese Aktivitäten stetig gefallen. Einen wesentlichen Beitrag für diese Kostensenkung liefert seit der Mitte des letzten Jahrhunderts die Mikroelektronik. Ihr gelingt es mehr und mehr, Funktionen auf einen Silizium Chip unterzubringen. Gordon Moore beschrieb dies mit seinem berühmten Mooreschen Gesetz: „Die Zahl der aktiven Komponenten auf einem Chip verdoppelt sich alle 16-18 Monate“ (1). Damit steigt auch die Mächtigkeit der integrierten Schaltungen. Sie können mehr Daten speichern und mehr Daten in kürzerer Zeit verarbeiten und übertragen; gleichzeitig fallen die Kosten hierfür. Dies ist in Bild1 für die Speicherung von Information dargestellt. Im Jahre 1972 kostete die Speicherung von einem Megabit (eine Million Bits) noch ca. 5000 USD. 1999 hingegen betrug der Preis nur noch 0.5 USD und der Trend hält unvermindert an.

Bild1:

Bild1

Ähnliches gilt auch für die Verarbeitung von Informationen und für die Übertragung: die Kosten für Information fallen stetig. Dieses Gesetz der fallenden Informationskosten wurde von Francis McInerney formuliert (2). Es hat nachhaltige Auswirkungen auf die Art und Weise, wie wir in Zukunft arbeiten und wie sich die Geschäftsprozesse künftig weiterentwickeln werden. Mit immer leistungsfähigeren Systemen können auch zunehmend komplexere Arbeitspakete digitalisiert, gespeichert, verarbeitet und übertragen werden…Arbeit wird gewissermaßen fluid. Sie geht dorthin, wo sie am besten erledigt wird: zum richtigen Zeitpunkt, in der richtigen Qualität und zu den richtigen Kosten. Raum und Zeit verlieren zunehmend ihre Trennkraft. Mit der rasch steigenden Vernetzung von Menschen und Maschinen kann Arbeit an jedem Ort und zu jeder Zeit erbracht werden.

1.2 Entwicklung der Rechenleistung

Mit jeder neuen Generation von Prozessorchips erhöht sich auch ihre Rechenleistung. Hans Moravec vom Robotics Institut der Carnegie Mellon Universität in Pittsburg Pennsylavania USA untersuchte den rasanten Anstieg der Rechenleistung, die wir für 1000 USD (1997) kaufen können, über die Jahre hinweg verfolgt (3). Bild 2 zeigt sein Ergebnis: auf der vertikalen Achse sehen wir links die Rechenleistung in MIPS (Million Instructions Per Second), die man für 1000 USD erhält. Rechts ist zum Vergleich die Rechenleistung einiger Lebewesen aufgetragen, vom Bakterium bis hin zum menschlichen Gehirn. Die horizontale Achse zeigt den Zeitabschnitt von 1900 bis zum Jahr 2020.

Bild 2:

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Drei Dinge sind an diesem Bild bemerkenswert:
1. Die Streuung der Datenpunkte nimmt als Funktion der Zeit ab. Im Laufe der Rechnerentwicklung haben sich Regeln etabliert, die den Fortschritt der Rechenleistung vorgeben. Systeme, die von diesen Regeln abweichen, werden im Markt nicht akzeptiert.
2. Je jünger die Prognosen desto aggressiver sind sie.
3. Im Jahre 2020 wird die Rechenleistung der Silizium Systeme das Niveau der menschlichen Rechenleistung erreichen.

Diese Entwicklung wird gravierende Auswirkungen auf die Arbeit der Zukunft haben. Arbeitsinhalte, die bisher dem Menschen vorbehalten waren, werden in Zukunft Zug um Zug auf Rechnersysteme übertragen. Diese Systeme werden zu Assistenten im Geschäftsleben. Sie analysieren komplexe Geschäftssituationen nach optimierten Heuristiken, sie erarbeiten Lösungsvorschläge und machen auf Risiken aufmerksam. Über Hochgeschwindigkeitsnetze tauschen sie Informationen und Programme mit anderen „befreundeten“ Rechnersystemen aus.

Für die Schlüsselqualifikationen für die Arbeit der Zukunft bedeutet dies: der Einzelnen muss seine Computerskill stetig weiterentwickeln. Wir müssen die Rechner der Zukunft richtig einsetzen können und vor allem ihre Begrenzungen verstehen

2.Trends in der Ökonomie

2.1 Der Aufstieg der BRIC Staaten (Brasilien, Russland, Indien; China)

Die Investment Bank Goldman Sachs hat modelliert, wie sich die Volkswirtschaften der BRIC-Staaten im Vergleich zu den Industriestaaten entwickeln werden (4). Es würde an dieser Stelle zu weit führen, näher auf die Mechanismen dieses Modells einzugehen. Es möge genügen, daraufhin zu weisen, dass dieses Modell ausgehend von den wirtschaftlichen Eckdaten des Nachkriegsdeutschland die wirtschaftliche Entwicklung bis hin zur Gegenwart erstaunlich genau prognostizieren konnte.

Bild 3 zeigt einige der erzielten Ergebnisse: Auf der vertikalen Achse sind die BRIC Staaten aufgeführt. Die horizontale Achse zeigt den Zeitraum von 2000 bis 2050.

Am Beispiel China sieht man, dass die deutsche Volkswirtschaft noch vor dem Jahr 2010 überholt werden wird. Japan wird 2015 überholt und die USA gegen 2040. Der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Entwicklung verlagert sich nach Osten.

Bild 3:

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Im Osten entstehen die meisten Millionenstädte und auch die Bedeutung der Konsumenten im Osten steigt rasch an. Im Segment der Luxusgüter hatten 2004 die japanischen Konsumenten mit 42% den weitaus größten Anteil, während China lediglich 12% zum Verbrauch beitrug. Dies wird sich in Zukunft nachhaltig ändern: bis 2015 wird der Anteil der chinesischen Konsumenten auf 29% ansteigen und mit Japan gleichziehen. China und Japan sind dann die Regionen mit dem höchsten Verbrauch an Luxusgütern, jeweils doppelt so hoch wie die USA als drittgrößte Verbrauchsregion.

Die Bedeutung dieser Trends für die Schlüsselqualifikationen für die Arbeit der Zukunft ist klar: wer Erfolg haben will, muss seine interkulturellen Fähigkeiten stetig weiterentwickeln, von den Sprachen bis hin zum Verständnis der Geschäftskulturen in den Wirtschaftsregionen des Ostens und in den BRIC Staaten.

2.2 Neue, leistungsfähige Geschäftsmodelle

Der Wettbewerbsdruck in den einzelnen Wirtschaftssektoren wächst, die Geschäftsabläufe werden komplexer und die Geschäfte takten zunehmend rascher. Gefragt sind deshalb Geschäftsmodelle, die möglichst robust sind gegenüber Schwankungen des Sektors und die nachhaltige Wettbewerbsvorteile bieten.

Eine Klasse von Geschäftemodellen die diese Eigenschaften haben, sind die sog. „Soccerballs“ (5). Eine Soccerball-Firma zeichnet sich in erster Linie durch folgende Eigenschaften aus: alle Aktivitäten, die nicht in direkter Wechselwirkung mit den Kunden stehen, werden weitgehend nach außen verlagert. Im „Inneren“ werden diese Firmen von hochleistungsfähigen, internetähnlichen IT-Strukturen zusammengehalten. Sie sind innen quasi hohl…wie ein Fußball; daher der Name „Soccerball“. Diese innere Struktur ermöglicht den Soccerballs eine sehr hohe Reaktionsfähigkeit. Zudem kann man zeigen, dass sie in der Lage sind, F&E Aufwendungen ebenso wie Verwaltungsaufwendungen mit einem wesentlich höheren Wirkungsgrad in Gewinne umzusetzen als dies klassische Wettbewerber vermögen.

(6) Die Geschwindigkeit, mit der Soccerballs „Atome“ durch „Bits“ substituieren, gibt das Moorsche Gesetz vor. Firmen, die deutlich langsamer Menschen und Material durch Information ersetzen, müssen entsprechende Wettbewerbsnachteile in Kauf nehmen. Soccerball Firmen fokussieren ihre Investitionen auf ihre kundennahen Aktivitäten, auf ihre „Hülle“. Dort konzentrieren sie auch ihre fähigsten Mitarbeiter. Beispiele für Soccerball Firmen sind etwa Dell, Cisco, Walmart, Apple…Southwest Airlines.

Bild 4 zeigt schematisch, wie man sich eine Soccerball-Firma vorstellen kann.

Das Soccerball Konzept geht zurück auf Francis McInerney und Sean White. McInerney hat vor kurzem wesentlich dazu beigetragen, Panasonic erfolgreich in einen Soccerball zu transformieren (7). Der Soccerball Ansatz beginnt in Japan rasch an Boden zu gewinnen. Goldman Sachs begann Ende 2007 die Bewertung des japanischen Unterhaltungselektronik Sektors umzustellen auf die Soccerball Metriken (8). Es ist davon auszugehen, dass sich nunmehr ein Sektor nach dem anderen in der japanischen Industrie in Richtung Soccerball Management bewegt. Diese Situation erinnert stark an den Siegeszug der „Six Sigma“ Qualitätsoffensive, die ja ebenfalls Mitte des letzten Jahrhunderts in Japan begann. Sie verbesserte die Wettbewerbsstärke der japanischen Industrie sehr nachhaltig und flankierte wirkungsvoll den Siegeszug japanischer Firmen in vielen Industriesektoren.

Bild 4:

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Die Robustheit von Soccerball Firmen gegenüber Schwankungen des Geschäftssektors ist in Bild 5 dargestellt. Es zeigt die Gewinnentwicklung im Segment der Telekom-Netzausrüster während und nach dem Platzen des Internet-Bubble. Die blauen, soccerballähnlichen Firmen überstehen die Krise nahezu unbeschadet. Die roten, klassischen Wettbewerber hingegen erleiden dramatische Verluste, von denen sie sich z.T. bis heute noch nicht erholt haben.

Bild 5:

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Bild 6 zeigt die Entwicklung des operativen Free Cashflows in demselben Sektor in demselben Zeitabschnitt. Die blauen, soccerballähnlichen Firmen extrahieren aus dem Sektor erheblich mehr Cashflow als die klassischen Firmen. Aufsummiert über die Zeit haben die blauen Firmen einen vierzigfach höheren Cashflow als die roten, klassischen Wettbewerber. Es ist daher leicht vorherzusehen, welche Gruppe von Wettbewerbern über die Zeit hinweg erfolgreicher sein wird: „Only Soccerballs can beat Soccerballs“.

Bild 6:

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Für die Schlüsselqualifikationen für die Arbeit der Zukunft bedeutet dies: um Erfolg zu haben, müssen die Fähigkeiten zum vernetzten Denken und Handeln stetig weiterentwickelt werden. Die Prozesse in Soccerball Firmen sind so eng mit denen ihrer Kunden und Lieferanten verzahnt, dass die Mitarbeiter bei ihrem Tun stets für die Geschäftespartner mitdenken müssen.

3.Humankapital, Sozialkapital und Wirtschaftswachstum

Deutsche Bank Research untersuchte den Zusammenhang zwischen dem Wirtschaftswachstum (BIP pro Kopf) und dem Humankapital. Unter Humankapital wird dabei die mittlere Ausbildungsdauer der 25 bis 64 Jährigen verstanden. Mit anderen Worten: Humankapital ist die Summe der Fähigkeiten und des Wissens von Menschen in einer Gruppe.

Die Forschungsergebnisse zeigen einen starken Zusammenhang zwischen dem BIP pro Kopf und den Ausbildungsjahren (9), siehe Bild 7. Je länger die Ausbildung desto höher ist das BIP pro Kopf. Als Faustregel gilt: 10% mehr Ausbildung entspricht ca. 8% bis 9% mehr BIP pro Kopf.

Humankapital ist damit ein wichtiger Treiber der wirtschaftlichen Entwicklung.

Bild 7:

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Ein ähnlicher Zusammenhang ergibt sich, wenn man das BIP-Wachstum pro Kopf und die Veränderung der relativen Ausbildungsdauer betrachtet. Dies ist modellhaft in Bild 8 für die Jahre 2006 bis 2020 dargestellt (10). Deutschland sieht in diesem Zusammenhang nicht gut aus. Das deutsche Humankapital stagniert und entsprechend schwach sind die Wachstumsaussichten des BIP pro Kopf.

Die Studie kommt zu dem Schluss: „Germany’s human capital per person is set to barely grow over the coming years, as a result, GDP growth is likely to remain modest”

Zum Vergleich: im Zeitraum von 1991 bis 2001 stieg das mittlere Humankapital pro Person in Spanien um 20%, während es in Deutschland lediglich um 3% stieg.

Bild 8:

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Neben dem Humankapital ist das Sozialkapital ein wichtiger Treiber der wirtschaftlichen Entwicklung (11). Sozialkapital ist dabei die Ressource, die sich aus Beziehungen in sozialen Netzwerken bzw. den Merkmalen einer Netzwerkstruktur ergibt und die Nutzen hervorbringt.

Durch soziales Kapital entstehen potenziell Formen der sozialen Organisation und Vertrauen. Die Effizienz von Handlungen wird potentiell erhöht, da die Koordination erleichtert wird.

Dies wird jeder bestätigen, der über eine entsprechende Führungserfahrung verfügt. Teams, die derselben Vision folgen und die einig sind im taktischen Vorgehen, erzielen überlegene Ergebnisse. Wissens- und Fähigkeitslücken werden umgehend über die persönlichen Netzwerke behoben.

Für die Schlüsselqualifikationen für die Arbeit der Zukunft bedeutet dies: wer Erfolg haben will, muss sowohl sein persönliches Humankapital als auch sein persönliches Sozialkapital stetig weiterentwickeln. Dies ist nur möglich durch die Bereitschaft und das Angebot für ein lebenslanges Lernen sowie durch stetiges vernetztes Denken und Handeln.

Die Summe der Überlegungen sind in Bild 9 schematisch zusammengefasst. Das innere Polygon stellt die Schlüsselqualifikationen der Gegenwart zusammen. Das äußere Polygon stellt die zukünftige Entwicklung dar. Stark ausgebaut werden müssen demnach vor allem die interkulturellen Fähigkeiten und die Fähigkeiten zum vernetzten Denken und Handeln.

Bild 9:

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An die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft ergeht der Appell, Aus- und Weiterbildung als Investition zu betrachten. Ziel dabei muss es sein die Veränderung des Humankapitals in Deutschland auf ein international führendes Niveau zu heben, und das Sozialkapital gezielt auf eine Führungsposition hin zu entwickeln.

Quellen:
(1): Gordon Moore: Cramming more components onto integrated circuits.
Electronics, Vol 38, Number 8, April 19th, 1965

(2): Francis McInerney: Soccerball Management: How top CEOs get A-Grade Performance, March 2004, p.16

(3): Hans Moravec: When will computer hardware match the human brain?
Journal of Evolution and Technology 1988, Vol 1

(4): Jim O’Neill: Goldman Sachs, Global Economics Group: The World and the BRIC’s Dream, Chapter 2: Dreaming with the BRICs: The Path to 2050, p.23, Feb.2nd 2006

(5): Francis McInerney: Management Failure, A White Paper on the Outlooks for US ILECs, April 2002

(6): Hartwig Rüll: Vorlesung: Strategieentwicklung in I&K Märkten, WS 2007/08, TU München, Lehrstuhl Prof.Dr. R.Reichwald

(7): Francis McInerney: Panasonic, The Largest Corporate Restructuring in History, 2006, (www.northriver.com)

(8): Y.Fujimori: Goldman Sachs, Why Japanese Manufacturers cannot come up with an i-phone, Sept. 14th 2007
Y.Fujimori: Goldman Sachs, Cash Velocity: Identifying Winners, Nov. 21st 2007

(9): S.Bergheim: Deutsch Bank Research, Humankapital wichtiger Wachstumstreiber, DBR Symposium, Berlin 15.03. 2006, S.4

(10): S.Schneider: Deutsche Bank Research, Human Capital ist he Key to Growth, Sept 1st 2005 p.3

(11): I.Rollwagen: Deutsche Bank Research, Wachstumspotenzial durch Sozialkapital, Kongress: Wege in die Zukunft, Jena, 04. 12. 2007, S. 6,8

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